Das Jüdische Kulturzentrum München Eine Entdeckungsreise

Nach der ersten Beschäftigung mit der jüdischen Geschichte unserer Heimat Hof, nutzten wir unsere Reise in die bayerische Landeshauptstadt, um noch mehr über das Thema zu erfahren.

Beeindruckt, aber auch mit gemischten Gefühlen standen wir dann am St.-Jakobs-Platz. Beeindruckt einerseits ob der prächtigen Bauten: die neue Synagoge, das jüdische Museum und das Kulturzentrum mit dem koscheren Restaurant „Einstein“.

Andererseits spüren wir ein Gefühl der Beklemmung, ja - der tiefen Nachdenklichkeit: auch heute noch, im Jahr 2015, mitten in Deutschland, sind hier höchste Sicherheitsvorkehrungen notwendig. Panzerglas, Personenschleusen, Metalldetektoren…Wann werden endlich friedliche Menschen, die vielleicht anders denken oder andere kulturelle Gepflogenheiten haben, in Ruhe gelassen ?

Im Gemeindezentrum der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern beginnen wir unsere Entdeckungsreise mit einem köstlichen Mal im Restaurant „Einstein“.

Heute steht "Schowarma" auf dem Speiseplan: zart mariniertes Geflügel mit Duftreis.

Zum Nachtisch gibt es „Sufganiot“ (Krapfen). Wer die leckere israelisch-jüdische Küche einmal probieren möchte, ist hier herzlich willkommen. Aufgrund der Sicherheitsvorkehrungen empfehlen wir eine vorherige Anmeldung bzw. das Mitführen eines Personalausweises für die Einlasskontrollen.

So gestärkt betreten wir das benachbarte Jüdische Museum. Eine junge Mitarbeiterin nimmt uns herzlich in Empfang und erklärt uns ausführlich die Gestaltung der Dauerausstellung im Untergeschoss: Die Installationen zeigen u.a. Stimmen der Zeitzeugen, Bilder und Orte jüdischen Lebens in München, Zeichnungen eines Comic-Künstlers.

Höchst interessant ist ebenso die Sammlung an Judaica, also rituelle und sakrale Objekte wie z.B. Chanukka-Leuchter oder Thora-Kronen.

Thora Rollen und Thora Krone der Jüdischen Gemeinde Hof

Spannend ist auch die Wechselausstellung: dort ist derzeit ein studentisches Projekt des Instituts für Volkskunde der LMU mit der Bezeichung „Jüdisches Europa Heute. Eine Erkundung.“ zu sehen. So erfahren wir beispielsweise von in der Türkei lebenden Juden mit spanischen Wurzeln, dort erscheinen sogar Zeitungen in sogenanntem „Judenspanisch“.

Am Donnerstag den 17.12.15 fand die Vorstellung des Buches „Flucht und Versteck -Untergetauchte Juden in München - Verfolgung und Nachkriegserfahrung“ von Frau Dr. Susanna Schrafstetter statt.
ISBN: 978-3-8353-1736-9 (2015)Autorin:

Autorin: Frau Dr.Susanna Schrafstetter, Jahrgang 1969, promovierte 1998 an der LMU. Seit 2009 ist sie Associate Professor of History und Mitarbeiterin am Center for Holocaust Studies der Universität Vermont (USA).

Das Grußwort sprach Frau Dr. h.c. Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern. Sie betonte die Wichtigkeit, dieses Thema an die Öffentlichkeit zu bringen. Wert und Bedeutung der Heimat unterstrich Frau Kobloch mit den Worten Christian Morgensterns: „Heimat ist nicht der Wohnsitz, sondern der Ort, wo man verstanden wird.“ Der Bevölkerungsanteil von vor dem zweiten Weltkrieg in München beheimateten Juden betrug nie mehr als 2 % - dieser Anteil allerdings war von hohem gesellschaftlichem Gewicht: Politiker, Wissenschaftler, Schriftsteller. „Starr und ungläubig vor den Grausamkeiten, wie sie Menschen füreinander ersinnen“ - so schildert Frau Knobloch ihre Gefühle beim Lesen des Buches und des damit verbundenen Eintauchens in die eigene Erinnerung. Für Sie als Zeitzeugin sei es nach dem Krieg ein Kraftakt gewesen, wieder Heimatgefühl und Liebe zu München zu verspüren.

Frau Knobloch mahnte zu einem gemeinsamen Achtgeben auf aktuelle Entwicklungen. Das Wort „Jude“ sei vielerorts wieder zum Schimpfwort geworden. Ebenso forderte sie dazu auf, den Antisemitismus wie jede andere Form der Menschenverachtung zu ächten.

Frau Prof.Dr. Margit Szöllösi-Janze (Lehrstuhl für Zeitgeschichte der LMU) würdigte in ihrer Einführung die Kunst des historischen Erzählens, welche die Autorin Susanna Schrafstetter vorzüglich beherrsche. Der Mensch und seine Lebensgeschichte stehe in dem Werk im Mittelpunkt. Etwa 10.000 - 15.000 Juden (sogenannte „U-Boote“) tauchten damals in den Untergrund ab, wobei die Forschung sich bislang hauptsächlich auf Berlin konzentriert habe.

Den Hauptteil der Veranstaltung bildete ein Gespräch zwischen Frau Dr. Susanna Schrafstetter und Herrn Dr. Jürgen Zarusky (Institut für Zeitgeschichte), unterbrochen von Lesungen des Moderators Armand Presser. Die teils schwer zu verdauenden Einzelschicksale, Anerkennung für mutige Helfer, aber auch Erschütterung über unfassbare menschliche Bosheit lassen uns ein Wechselbad der Gefühle erleben.

Die Motive der Unterstützer waren unterschiedlichster Natur: politische Überzeugung, Loyalität oder Liebe unter Freunden / Lebenspartnern, humanitäre Nächstenliebe. Jedoch leider auch sehr viele Fälle von Erpressung, also rein finanzielles Interesse oder Ausbeutung als billige Arbeitskraft.

Als weiteren wichtigen Punkt behandelt das Buch ein Stück Sozialgeschichte: Die Praxis der Wiedergutmachung oder die strafrechtliche Verfolgung von Denunzianten oder „Judenfledderern“ (Unterschlagung von Wertgegenständen aus jüdischem Besitz).

Diese wissenschaftliche Arbeit leistet einen enorm wichtigen Beitrag gegen das Vergessen und ist gleichzeitig ein Mahnendes Beispiel über die grausamen Folgen ideologischer Verblendung.

Mögen sich so viele Menschen wie möglich offenen Herzens mit der Vergangenheit aber auch mit der reichen Kultur des Judentums beschäftigen.
Created By
Andreas Ulonska
Appreciate

Made with Adobe Slate

Make your words and images move.

Get Slate

Report Abuse

If you feel that this video content violates the Adobe Terms of Use, you may report this content by filling out this quick form.

To report a Copyright Violation, please follow Section 17 in the Terms of Use.