In der Werkstatt von Puppet Empire

PuppetEmpire ist ein Zusammenschluss von fünf sympathischen Künstlern, Puppenspielern und Filmemachern, deren Werkstatt am Rande von Köln Ehrenfeld getrost als Spielplatz Erwachsener gelten darf, deren Kreativität und Freude am eigenen Schaffen keine Grenzen kennen Drei Fünftel der Truppe – Marc Mahn, Till Nachtmann und Stefan Silies – öffneten für einen Tag die Türen, ließen sich auf die Finger schauen und erzählten von ihrer Faszination für Puppen, die Arbeit für Film und Theater und nicht zuletzt von ROBBI, TOBBI UND DAS FLIEWATÜÜT.

Till Nachtmann, Stefan Silies und Marc Mahn (v.l.n.r.)

Wie entstand die Idee zu PuppetEmpire?

S: Till und ich arbeiten schon sehr lange zusammen. 1996, als Erstsemester an der Kunstakademie, haben wir uns für eine Ausstellung eingeschlossen um zu schauen, was innerhalb von drei Tagen alles möglich ist. So sind letztlich die ersten Puppen entstanden, die wir über viele Jahre nur im Kunstkontext gebaut und mit ihnen gespielt haben. Meist waren das Dreharbeiten bei irgendwelchen Ausstellungen. Nach dem Kunststudium hatten wir Lust das fortzuführen und konnten schon bald darauf den ersten Kontakt zum Fernsehen knüpfen. Die Sendung mit dem Elefanten war, glaube ich, das Erste, was wir gemacht haben. Und dann haben wir uns vor ein paar Jahren mit den Brüdern Samy und Jasin und deren Jugendfreund Marc, die auch seit Kindertagen Puppen machen, zusammengetan und existieren seither als ein Thinktank namens PuppetEmpire. Man kann durchaus von einem Künstlerkollektiv sprechen. Wir treffen uns regelmäßig, arbeiten zusammen, bisweilen aber auch an ganz unterschiedlichen Projekten. Die Konstellationen wechseln ständig.

T: Jeder hat seine ganz eigenen Stärken. Und auch Vorlieben. Samy und Jasin bewegen sich eher in erwachsener Unterhaltung und im Comedy-Bereich.

S: Wenn Anfragen kommen, wird kurz besprochen, wer was macht und wer worauf Lust hat. So entwickeln sich dann Arbeitsgruppen. So funktioniert PuppetEmpire. Man trifft sich, tauscht sich aus und hat Spaß daran, kreative Ideen zu entwickeln und voranzutreiben.

Sieht man euren Arbeiten ihre Herkunft an? Gibt es den unverwechselbaren PuppetEmpire-Stil, den man sofort erkennt?

S: Wir bauen keine High-End-Puppen sondern mögen es, wenn man das Selbstgemachte noch sieht. Dieses etwas Rotzige, das ist eher unser Ding. In unseren Kindersendungen stehen die Puppen gern mal auf der Straße an irgendwelchen ranzigen Ecken und wollen einfach nur zum Zahnarzt. Uns fällt das gar nicht immer auf, aber den Redakteuren schon. (lacht) Das ist unsere Art, einfach raus mit den Puppen und mit authentischen Leuten arbeiten und drehen.

Wir bauen keine High-End-Puppen sondern mögen es, wenn man das Selbstgemachte noch sieht. Dieses etwas Rotzige, das ist eher unser Ding.

Woher rührt diese Faszination für Puppen?

S: Wir sind damit groß geworden. Von den Muppets über Hallo Spencer. Tatsächlich habe ich schon früher zu Hause mit meinem Bruder davon geträumt, Puppen-Musicals zu machen. Alleine ist man aber ziemlich aufgeschmissen, man braucht da schon ein Ensemble. Wie gut das in der Gruppe funktioniert, merkten wir zum Beispiel in einer Art Late-Night-Show, die Jasin Challah im King Georg gemacht hat und bei der wir alle involviert waren. Bier trinken und Puppenspiel – das ging gut zusammen. (lacht) Dazu Burlesque Tanz und Interviews mit der Vermieterin. Das alles hat eher gekostet, als dass es Geld eingespielt hätte. Aber da ist PuppetEmpire zusammengewachsen.

Macht ihr das inzwischen ausschließlich?

T: Ja, ausschließlich. Hin und wieder geben wir noch Workshops an Schulen, aber auch das hat stets einen Puppenhintergrund. Wir nutzen die Puppen zum Beispiel im Rahmen von Fortbildungen oder bei Seminaren mit Studierenden. Puppen können in Kindergärten aber auch im Schulalltag als Sprechanlässe oder auch zur Fremdsprachenvermittlung eingesetzt werden. Unsere Serie David and Red bei Planet Schule ermöglicht Kindern einen spielerischen Umgang mit der englischen Sprache. Darauf basiert auch unsere neueste Serie Deutsch mit Socke, die in Auffangklassen mit Flüchtlingskindern eingesetzt wird. Wir haben auch mal eine Fortbildung mit den Unternehmensberatern von McKinsey gemacht, die sich dann gegenseitig als Puppen gebaut haben. Mit den Puppen wurden dann Szenen aus ihrem Büro- und Arbeitsalltag nachgespielt. Die Möglichkeiten sind vielfältig.

S: Gegenüber unserer Werkstatt gibt es ein Hotel, das derzeit viele Flüchtlinge beherbergt, mit denen wir auch recht viel machen. Die Puppen helfen dabei, Gruppen aufzubohren und Sprache zu lernen. Meistens muss man erst einmal Hemmungen abbauen, denn die Situation ist schon etwas skurril. Man kommt hier rein und dann sind da zwei Männer, die sagen: So, jetzt bauen wir Puppen. Willkommen in Deutschland, hier ist ein Schaumstoffklotz! (lacht) Die Sprachentwicklung mit Puppen interessiert aber sehr viele Leute. Es gibt einen großen Bedarf, weshalb David & Red auch so gut funktioniert.

Worauf werdet ihr euch bei ROBBI, TOBBI UND DAS FLIEWATÜÜT besonders konzentrieren?

S: Das Stück lebt von einer starken Technikaffinität. Wir möchten Technik sowohl den Kindern als auch den Eltern näher bringen. Je nach Generation muss man die Zuschauer anders abholen. Ein Plan ist es zum Beispiel, Lego-Technik-Elemente „in groß“ zu bauen. Man öffnet eine Klappe und die Eltern erkennen das Spielzeug ihrer Jugend. Es ist toll, die Dinge auf diese Weise magisch aufzuladen.

Womit schon mal für Nostalgie gesorgt wäre. Doch wie modernisiert man das Stück – auch mit Blick auf den Roboter?

S: Das ist die größte Herausforderung. Unter anderem werden wir Tablets und eine eigens entwickelte App verwenden. Ein animierter Mund kann über ein Mikrofon gesteuert werden. Das sieht sehr lustig aus. Anhand der Augen wird man sofort erkennen können, ob Robbi friert oder verliebt ist oder was ihn sonst so beschäftigt. Er hat einen Teleskoparm, Röntgenblick und sogar einen versteckten 3D-Ducker. Ein bisschen wie bei Bender aus Futurama: Klappe auf und schon fliegt da was raus. Lauter Gadgets, bei denen es unglaublich Spaß macht Lösungen zu finden, wie man sie in so ein Schaumstoffkostüm bekommt, obwohl sie da gar nicht reinpassen dürften.

T: Es geht aber auch darum, den Dingen eine Seele zu verleihen. Selbst das Fliewatüüt muss man einfach lieb haben. Es muss ein Wesen bekommen. Ein bisschen wie bei Knight Rider, das muss Geräusche machen, auch etwas kommunizieren können. Auch wenn es nicht sprechen kann, sollte man schon merken, ob es ihm gerade gut geht oder nicht.

Das Fliewatüüt muss man einfach lieb haben.

M: Außerdem fährt und schwimmt es ja nicht nur, sondern kann auch fliegen. Nur wie? Das wollen wir ja auch zeigen. Und daher wird sich die Bühne verwandeln. Die Reisen werden in einer zweiten Erzählebene dargestellt. Das Fliewatüüt und alle Darsteller gibt es dann noch einmal als Miniatur. Die Schauspieler werden zu Puppenspielern und alles passiert in einer Art zweiten Welt.

S: Diese Welt wird an alte Computerspiele im 8-Bit-Gewand erinnern. Ein Scherenschnitt mit mehreren Ebenen, die sich bewegen können. Die Magie entsteht aus dem klassischen Puppenspiel.

"Es geht auch darum, ...

... den Dingen ...

... eine Seele zu verleihen."

Wie stark orientiert ihr euch an bestehenden Bildern?

M: Wir haben lediglich gesagt, dass das Fliewatüüt rot und rund sein muss, wie auf den Illustrationen der Buchvorlage.

T: Die Grundform des Fliewatüüts ist eine Ikone. Aber darüber hinaus, gehen wir frei damit um.

S: Vor allem den Roboter kann man so heute einfach nicht mehr machen.

T: Es ist eine grundsätzliche Frage, wie sehr man die Bilder in die Gegenwart überführt. Im Dezember feiert eine neue Episode von Star Wars Premiere. Wir wollen keinen zweiten BB8 auf die Bühne bringen und bewegen uns stattdessen in eine andere Richtung.

Wie unterscheidet sich die Herangehensweise bei Film und Theater? Nimmt die Tricktechnik eher ab, wenn etwas live auf der Bühne passiert?

M: Die Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten. In gewisser Weise sind Film und Theater gleich. Man hat eine Geschichte, muss sie visualisieren und Orte schaffen. Aber im Theater bringst du es auf eine riesige Bühne und der Zuschauer macht dann das, was die Kamera sonst übernimmt. Er pickt sich die Teile raus, die er gerade interessant findet. Beim Film geschieht alles für die Kamera, deren Filter viel aktiver gesteuert werden kann.

S: Man muss mit so einer großen Bühne erst einmal umzugehen wissen. Deshalb ist es auch gut, dass die Tablets leuchten und so die Blicke ein wenig steuern.

M: Und die Tricktechnik nimmt am Theater eher zu, weil die Dinge, die man baut, eine ganze Spielzeit und nicht nur für ein paar Szenen halten müssen.

Den Roboter hätten wir für einen Film ganz anders gebaut.

S: Den Roboter hätten wir für einen Film ganz anders gebaut. Wir müssen ja jetzt einen Schauspieler darin verstecken, der dann auch noch eine Hauptrolle übernimmt. Das ist schon auch eine Herausforderung. Man sieht den Schauspieler zwar nur spärlich, aber muss ihm trotzdem irgendwas an die Hand geben, damit er sich ausdrücken kann.

M: Wir werden ihn keinesfalls verstecken. Wir lassen aus dieser gewissen Einschränkung etwas Lustiges entstehen. Im Buch ist er ja auch manchmal unbeholfen und hat Probleme mit dem Treppensteigen. Wir können daraus schöpfen, dass er mit den Dingen um sich herum nicht klarkommt.

Gibt es weitere Stücke, die ihr gern einmal umsetzten würdet?

S: Ich würde gerne mal einen Piratenfilm machen. Das ist mein Traum. (lacht)

M: Es gibt so vieles, das wir ausprobieren wollen. Da kann ich dir gar nichts Konkretes nennen.

S: Spannend sind all die Sachen, die man sich zunächst gar nicht mit Puppen vorstellen kann. Das ist immer eine Frage der Herangehensweise. Wenn man die Dinge mit Spaß angeht, kann jeder Stoff reizvoll sein. Ich sehe da überhaupt keine Beschränkungen.

Nach seinem Studium an der Fachschule für Optik und Fototechnik in Berlin ist Marc Mahn seit 2000 als freier Kameramann, Puppenbauer und Szenenbildner tätig. Bei allen Produktionen ist er als Spezialist für visuelle Konzepte schon im Vorfeld entscheidend an der filmischen Umsetzung beteiligt. Till Nachtmann und Stefan Silies studierten in der Filmklasse der Kunstakademie Münster und an der Kunsthochschule für Medien in Köln. Zusammen leiten sie den Bereich Kinderfilm bei PuppetEmpire. Seit Jahren schreiben und produzieren sie Kinderformate, z.T. in Zusammenarbeit mit dem Kinderbuchautor David Fermer. Daneben sammeln sie immer wieder Praxiserfahrung in Seminaren mit Schülern und Studenten, in denen sie über Puppenfilme diskutieren, sie planen und realisieren. Ihre Arbeit wurde mehrfach ausgezeichnet, u.a. sind sie Preisträger der Initiative "Kinder zum Olymp" der Kulturstiftung der Länder und von "Kultur prägt" des Landes NRW.

ROBBI, TOBBI UND DAS FLIEWATÜÜT | nach dem Roman von Boy Lornsen | für die Bühne bearbeitet von Jasper Brandis und Elisa Hempel | Premiere: 20. November, 18 Uhr, Kammerspiele

Regie: Jasper Brandis | Bühne und Puppen: PuppetEmpire - Marc Mahn, Till Nachtmann, Stefan Silies | Kostüme: Anna Ignatieva | Musik: Ansgar Silies | Dramaturgie: Elisa Hempel, Angela Merl | Mit: Simon Forster, Andrej Kaminsky, Alois Reinhardt, Julia Sewing, Manuel Zschunke

Created By
Benjamin Doum [Theater Bonn]
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