Island 7. Teil Stokksnes

Stokksnes ist einer dieser Orte auf Island, der mich bei meinen Planungen am meisten fasziniert hat und den ich unbedingt besuchen wollte. Im Grunde ist Stokksnes eine kleine Landzunge, die sich ganz im Südosten befindet. Irgendwo im Nirgendwo zwischen Höfn und Egilstadir geht es plötzlich rechts von der Ringstraße über eine Schotterpiste ab. Nach einigen Kilometern erreicht man ein kleines Café von dem man über einen Damm zu einer alten Radarstation gelangt. Von dort hat man einen beeindruckenden Blick auf einen Gebirgszug mit seinem berühmtesten Gipfel, dem Vestrahorn. Zu seinen Füßen liegt eine gigantische Bucht in die der Atlantik endlose Wellen über den pechschwarzen Sandstrand spült. Ein einmaliger Anblick

Ich wollte UNBEDINGT dorthin und mein Bild von diesem Ort machen. Bei meiner Übernachtung in Höfn wurde mir allerdings recht schnell klar, dass das alles andere als einfach werden dürfte. Der Wetterbericht sagte mal wieder dichte Wolken, anständigen Wind und ergiebigen Regen voraus. Die schlechtesten Voraussetzungen für meine geplanten Langzeitaufnahmen.

Inzwischen hatte ich mich aber an das isländische Wetter gewöhnt und wußte, dass es sich durchaus lohnen kann, wenn man sich den Elementen stellt. Also machte ich morgens auf den Weg von Höfn nach Stokksnes. Mit jedem Kilometer dem ich diesen Ort näher kam, verdunkelte sich der Himmel mehr und mehr. Stokksnes liegt relativ frei im Meer, was man an den zunehmenden Windböen deutlich zu spüren bekam. Ruhig und langsam steuerte ich mein Wohnmobil über die schlaglochübersähte Schotterpiste bis ich endlich bei dem "berüchtigen" Viking-Café ankam.

Das Café ist eigentlich nur eine bessere Bretterbude, die aber innen recht gemütlich ist. In diversen Foren hatte ich bereits davon erfahren, dass der dortige Besitzer scheinbar sein Einkommen damit aufbessert, indem er von den Touristen "Wegezoll" für den Besuch der Halbinsel verlangt. Zwar nur 600 isländische Kronen, aber für isländische Verhältnisse trotzdem sehr unüblich. Ich hatte bereits im Vorfeld beschlossen, mich auf keine Diskussionen mit dem guten Besitzer einzulassen und hatte die Gebühr schon parat. Im gebrochenen Englisch erklärt er mir, dass das Geld für den Erhalt der Natur und des Vikingerdorfes, welches sich einige 100 Meter vom Café befindet eingesetzt wird. Sein unseriöses Auftreten und leicht diabolisches Grinsen geben mir aber das Gefühl, dass das Geld direkt in seine eigene Tasche wandert. Sein Café macht dafür aber einen recht gemütlichen Eindruck. Der auf Island fast überall angebotene Schokoladenkuchen, hat er schlichtweg in "Obama-Cake" umgetauft. Im Südosten Islands herscht scheinbar ein etwas seltsamer Humor....

Ich mache mich erstmal auf den Weg zum Vikingerdorf. Andere Touristen sind an diesem Sonntag Mittag nicht vorhanden. Je mehr man in den Osten kommt, desto ruhiger und abgeschiedener wird es. Auf meinem Weg zu der nachgebautem Dorf dreht das isländische Wetter noch einmal ordentlich auf. Regen, Sturm, Wolken... Und von allem mehr als reichlich.

Das Dorf scheint sich noch im Aufbau zu befinden. Man bekommt allerdings schon einen sehr guten Eindruck davon, wie die Menschen früher gelebt haben müssen. Eine Handvoll alter Häuser ist mit viel Liebe zum Detail aufgebaut worden. Sogar ein Bachlauf, der durchs Dorf führt ist integriert worden. Die Funktion der einzelnen Behausungen ist allerdings noch nicht wirklich ersichtlich. Vielleicht kann man hier in einigen Jahren mehr erfahren. Ich schlendere etwas durch das Dorf und mache einige Schnappschüsse mit der vom isländischen Wetter leidgeprüften Leica Q bevor ich mich auf den Weg zum Strand mache.

Der Weg führt über einen langen Damm, der zur alten Radarstation führt. Vom Café aus sieht dieser Weg wie ein kurzer Fußmarsch aus. Wieder einmal merke ich nach einigen Metern, dass die Distanzen auf Island anderen Maßstäben zu unterliegen scheinen. Aus den anfangs geschätzten 15 Minuten wird eine knappe Stunde, die durch Sturm und peitschenden Regen quälend lang werden. Ich richte meinen Blick auf den Boden und laufe stur weiter bis ich endlich das Ende der Landzunge erreiche.

Während ich so vor mich hinstapfe bemerke ich nicht, wie sich links von mir das Vestrahorn immer mehr und mehr aufbaut. Man muss wirklich bis zum Ende der Landzunge gehen. Plötzlich steht dieser Gebirgszug völlig frei vor einem. Zu seinen Füßen ein gigantischer schwarzer Strand. Völlig unberührt und am Rand nur von einigen Gräsern bewachsen. Während ich dort stehe und mir zum wiederholten Male die Kinnlade runterklappt, belohnt mich Island abermals für meine Mühen. Für ca. 10 Minuten flaut der Wind etwas ab und der Regen lässt nach. Das Vestrahorn ist zwar immer noch wolkenverhangen, aber ich nutze die Gelegenheit und bringe Stativ und Kamera in Position um meine Langzeitbelichtung zu machen.

Ich muss zugeben, dass ich schon spannendere Langzeitaufnahmen gemacht habe. Die Wolken sind dick, das Wasser unspektakulär und das Licht völlig unbrauchbar. Trotzdem fühle ich mich, als hätte ich den fotografischen Mount Everest bestiegen. Ohne Sauerstoffflasche. Ein ultimatives Glücksgefühl durchströmt mich und ich genieße, die wenigen Minuten Ruhe, die mir das Wetter gönnt. Die Wellen umspülen meine Stiefel während ich diesen fantastischen Anblick genieße. Dieser gigantische Strand. Dieses Bergmassiv. Die Wellen des Atlantiks. Stokksnes ist für mich die Definition vom Ende der Welt geworden. Und zwar im allerpositivsten Sinne...

Über den Atlantik sehe ich die nächste Regenwand heranziehen, aber das schockt mich nicht im Geringsten. Mein Ziel, an diesem Ort MEIN Bild zu machen habe ich erreicht und damit leite ich den Wendepunkt meiner Reise ein. Von nun an geht es wieder Stück für Stück zurück. Einige Highlights warten noch auf meiner Reise. Das nächste sollte bereits am nächsten Tag auf mich warten. Davon werde ich im nächsten Eintrag berichten. :)

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Dominik Neesen
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