Island 8. Teil Zurück nach Skaftafell

Inzwischen hatte ich den zweiten Teil meiner Islandrundreise angetreten. Stokksnes war der Wendepunkt. Von dort aus fuhr ich nun die gleiche Strecke wieder zurück. Der Wetterbericht sollte nun ENDLICH beständigere Bedingungen vorhersagen. Den ersten komplett wolken- und regenfreien Tag wollte ich in Skaftafell verbringen. Der Nationalpark bietet einige wunderbare Wanderwege an. Einer führt hinauf auf einen der höchsten Berge Islands, den Kristínartindar. Nach einer angenehmen Nacht mit letzten Regenschauern begrüßt mich Skaftafell am Morgen mit einem wunderbaren Sonnenaufgang. Fotorucksack ist schnell gepackt. Los gehts!

Das Wetter ist perfekt und das Ziel liegt klar vor mir. Der Gipfel des Kristínartindar ist gleich vom Start aus in der Ferne zu sehen. Der Skaftafell-Nationalpark bietet ein sehr gutes Netz an perfekt ausgebauten Wanderwegen. Für jeden Geschmack ist etwas dabei. Es beginnt mit einem kurzen Trail zum Svartifoss-Wasserfall und endet mit der Route hinauf zum Kristínartindar. Mit knapp 18km Länge ist das der längste Rundwanderweg. Auch die knapp 1000 Meter Höhenunterschied, die zu bewältigen sind, haben es in sich. Das sollte ich später noch am eignen Leib zu spüren bekommen.

Der Weg beginnt im Grunde direkt vor der Tür meines Wohnmobils. Ein kleiner Holzpfosten mit einem unscheinbaren "S3-Schild" zeigt den Beginn. Anfangs schlängelt sich der Enge Weg noch durch dichte Sträucher. Für isländische Verhältnisse recht ungewöhnlich, da fast im ganzen Land die Vegetation doch sehr, sehr karg ist. Nach dem ersten Kilometern verschwinden selbige aber gleich wieder und man bekommt einen ersten Ausblick auf die Skaftafellsjökull-Gletscherzunge.

Von hier lichten Sich die Sträucher mit jedem Meter und die Ausblicke werden immer beeindruckender. Die Gletscherzunge, dahinter der höchste Berg Island, der Hvannadalshnúkur liegen Dir direkt zu Füßen. Richtet man den Blick nach Rechts bekommt man einen unfassbaren Ausblick auf die Tiefebene welche von Skaftafell zum Atlantik führt.

Island und das tolle Wetter treten jetzt richtig aufs Gas und entschädigen für all die wettertechnischen Entbehrungen der letzten Tage. Die Septembersonne ist intensiv und warm. Gemeinsam mit dem kühlen Atem des Gletschers ergeben sie eine wunderbare, angenehme Brise. Die Wolken lassen das Licht über die Landschaft tanzen. Die vielen kleinen Seen und Flüsse funkeln traumhaft. Am liebsten möchte man alle 10 Meter anhalten und den Blick schweifen lassen. Der Anblick ist jetzt schon kaum zu übertreffen. Dabei ist es gerade mal 9:00 Uhr Morgens. :)

Mir fällt wieder ein, dass ich noch einige Kilometer und vor allen Dingen Höhenmeter vor mir habe. Ich setze meine Wanderung also weiter fort und genieße die Ruhe, die an diesem Morgen herrscht. Der September gehört schon zur Nebensaison im Skaftafell-Nationalpark. Außer einigen wenigen Wanderern herrscht auf den Wegen nur wenig Betrieb. Im Sommer zur Hauptsaison bietet sich hier sicherlich ein anderes Bild.

Der Weg führt nun immer weiter an der Gletscherzunge entlang. Mit jedem Meter dem man emporsteigt, zieht sich das ohnehin schon karge Grün zurück. Die Regenfälle der letzten Tage haben zu hunderten kleinen Bächen geführt, die von den Gipfel hinab fließen. Man kann deutlich erkennen, wie empfindlich der Boden auf Island ist und wie sehr die Erosion im zusetzt. Trotzdem sind

Die Ausblicke werden jetzt mit jedem Höhenmeter phänomenaler. Egal wohin man blickt, man kommt aus dem Staunen kaum noch raus. Diese Wanderung ist jetzt schon ein absolutes Highlight auf meiner Reise.

Unterwegs werde ich von 4 jungen Amerikanern eingeholt. Auf einem Felsvorsprung tauschen wir die Kameras für ein Erinnerungsfoto aus und kommen ins Gespräch. Bevor es zum College geht, machen die 4 einen Roadtrip auf Island machen. Nur in einem kleinen Mietwagen und 2 Zelten sind sie unterwegs. Regen und Sturm hätten ihnen in den Tagen zuvor ordentlich zugesetzt. Jetzt genießen sie die Sonnenstrahlen und die Erleichterung über diesen positiven Wetterumschwung ist ihnen verständlicherweise deutlich anzusehen. :) Gemeinsam bestaunen wir die gigantischen Ausblicke und tauschen uns über die bereits besuchten Sehenswürdigkeiten aus, bevor wir uns weiter auf den Weg machen.

Ich lasse den Jungs den Vortritt und versuche meinen eigenen Rhythmus zu finden. Der Aufstieg zum Fuße des Gipfels verlangt mir einiges ab. Die Sonne knallt, der umbequeme, steinige Weg wird immer steiler und scheint kein Ende zu nehmen. Immer schmaler und steiler schlängelt sich der Weg an dem rutschigen Hang hinauf. Ich verfluche mich inzwischen dafür, die Fotoausrüstung auf dem Rücken zu haben und frage mich immer mehr warum das ganze Zeug überhaupt mit mir rumschleppe.

Ich schaffe es aber letztendlich auf das Plateau, welches am Fuß des Gipfels liegt und lasse mich völlig ausgepumpt auf einen Felsen plumpsen. Wer eine fast 20 Kilometer lange Wanderung in der Kategorie 3+ in Angriff nimmt sollte wissen worauf er sich einlässt. Der Wanderweg zum Gipfel entblößt mich jedenfalls schonungslos als dummen "Flachlandtiroler". Ein zu schwerer Rucksack mit wieder mal viel zu viel nutzlosem Kameragedöns und eine falsche Strategie beim Einteilen der Kräfte haben dazu geführt, dass ich völlig auspumpt oben ankomme. Meine Beine fühlen sich wie Brei an und mein Kreislauf ist definitiv nicht da wo er sein sollte. Ich will einfach nur sitzen und an die Tatsache, dass der längste Teil noch vor mir liegt, mag ich nicht denken.

Nach einer halben Stunde fühle ich mich aber wieder erholt und genieße abermals die immer gigantischeren Ausblicke, die sich hier oben bieten. Zu meiner Rechten liegt die gigantische Skaftafellsjökull-Gletscherzunge. Blicke ich nach vorn sehe ich in der Ferne den Atlantik, davor die Skeiðarásandur-Ebene, mit den unzähligen Gletscherabflüssen, die zum Meer führen. Rechts liegt im totalen Kontrast zu der Bergkette auf der Linken, der Skaftafellsfjöll-Gebirgszug. Am Ende der Wanderung wird dann noch der Svartifoss-Wasserfall die Rundtour abschließen. Island im Kleinformat. Hier bekommt man ALLES an einem Ort.

Ich rappele mich wieder auf und richte meinen Blick gen Gipfel. Die Vernunft sagt eindeutig, dass den Aufstieg lassen sollte und meinen Weg ins Tal fortsetzen sollte. Der Weg hinauf ist steil. Oben wartet nur ein schmaler Gipfelgrat an dem es links und rechts ordentlich hinab geht. Ohne schweren Kamerarucksack sicherlich machbar, aber den kann ich hier oben leider nirgendwo sicher verstauen. Beim Einstieg zum Gipfelgrat treffe ich auf einen der amerikanischen Jungs und eine französische Wanderin, denen es scheinbar ähnlich ergeht wie mir. Auch Ihnen steckt der bisherige Aufstieg ordentlich in den Beinen und der Respekt vor dem Gipfel wurde auch Ihnen etwas zu groß.

Der junge Amerikaner ist meiner kleinen Spiegelreflexkamera ausgestattet. Überwältigt von den Motiven hatte er unterwegs den Anschluss an seine Kollegen verloren. Als Dank darf er nun auf die Rucksäcke seiner Kollegen aufpassen. Er nimmt aber gelassen und nutzt die Zeit um die Speicherkarte mit den unzähligen Motiven zu füllen die sich hier oben bieten. Nach einer Weile kommen seine Kollegen nach und nach wieder vom Gipfel hinab. Wohlwollen nehmen wir entgegen, dass es dort oben schon cool wäre, aber man bereits hier unten ALLES sehen könnte und dass der Ausblick dort oben nicht wirklich beeindruckender wäre. Ein Handyvideo überzeugt uns und wir schließen unseren Frieden mit unserer Kapitulation vor dem Kristínartindar. Vielleicht klappt es ja beim nächsten Mal.... :)

Gemeinsam machen wir uns auf den Abstieg. Vom Gipfelfuss führt ein langer schmaler Grat an einem felsigen Berghang hinab. Auf dem Weg hinab kommen uns einige Wanderer entgegen, welche den entgegengesetzten Weg eingeschlagen haben. Der lange Aufstieg auf dieser Seite muss für sie endlos erscheinen. Jedenfalls kann man das deutlich in jedem einzelnen Gesicht sehen. Wer immer von Euch diese Rundwanderung machen möchte, der sollte den Weg am Gletscher entlang hinauf zum Kristínartindar wählen. Auf der anderen Seite sind die einzelnen Abschnitte zum Teil seeehr lang und mühsam, was am Ende ordentlich auf die Moral gehen kann. Die Gesichter der uns entgegenkommenden Wanderer hellen sich jedoch deutlich auf, als sie Anfeuerungen der amerikanischen Jungs hören. "Come on.....! Don't give up...! It's so worth it....!"

Der steile, rutschige und felsige Grat fordert eine Menge Aufmerksamkeit. Stürzen möchte ich hier keinesfalls. Irgendwann haben wir aber auch diesen Teil gemeistert und plötzlich stehen wir wieder mitten im Grünen. Unsere Wege trennen sich hier wieder und ich lasse mich auf einer kleinen Anhöhe im Gras nieder. Ich schließe die Augen für eine Weile und genieße die Stille, die hier oben herrscht. Erst als ich nach einer Weile die Augen wieder öffne, wird mir so richtig bewußt, wo ich mich eigentlich nieder gelassen hatte. Vor mir liegt der Skaftafellsfjöll und die Mórsárjökull-Geltscherzunge im wunderbarsten Spätsommerlicht. Immer wenn man glaubt, dass es nicht mehr besser werden kann, dann legt Island noch eins drauf...

Die bunten Felsen erinnern mich ein wenig an die Ryolithberge von Landmannalaugar und ich fasse den Entschluss, auch diesen Ort irgendwann einmal zu besuchen. Eine ganze Weile lasse ich meine Blicke noch schweifen. Ich schaue zu, wie die Wolken, dass Licht über die Hänge tanzen lassen und spüre dabei, wie mich eine enorme Ruhe und Gelassenheit erfasst. Island ist nicht einfach nur "schön" und "beeindruckend". Island beeinflusst mich inzwischen zutiefst, es rückt einiges in mir wieder gerade.

Am Abend erreiche ich erschöpft aber glücklich den Campingplatz Nationalparkzentrum. Nichts auf dieser Reise wird an diesen Tag heranreichen, dessen bin ich mir jetzt schon sicher und ich sollte recht behalten. Skaftafell ist ein isländischer Traum an dem ich definitiv mein Reiseherz verloren habe. Wer auch immer im Süden Islands unterwegs ist, sollte hier für einige Tage sein Zelt aufschlagen oder mit dem Wohnmobil einkehren. Es sind nicht nur die unzähligen Attraktionen, die Wasserfälle, die Gletscher und die Natur an sich. Dieser Ort ist einfach anders als alle anderen auf Island. Beeindruckender, nachhaltiger, intensiver. Wer hier einige Tage verbracht hat, der ist am Ende ein anderer Mensch.......

Weitere Infos zum Nationalpark findet ihr unter folgendem Link:

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