Island 10. Teil Der Abschied in Þingvellir

Am letzten Tag vor meiner Abreise weckt mich Island früh morgens mit einem beeindruckenden Sonnenaufgang auf. Nur wenige Camper sind zu dieser Jahreszeit unterwegs, so dass auch hier früh morgens eine angenehme Ruhe herrscht. Ich springe schnell aus den Federn und genieße bei einer Tasse Kaffee in der Wohnmobiltür die aufgehende Sonne über der Ostküste.

Island hat mich während meiner Reise gehörig mit Eindrücken vollgepumpt. Immer und immer wieder hat es mich beeindruckt, überwältigt, sprachlos gemacht. Es verging nicht ein einziger Tag, an dem man nicht mindestens etliche Male mit offenem Mund in die Gegend gestaunt hat. Nach den ersten doch sehr unbequemen Tagen, in dem mich das isländische Wetter doch sehr auf die Probe gestellt hat, wurde ich von diesem Land für meine Geduld reich belohnt.

An diesem Tag sagt der Wetterbericht noch einmal feinstes, isländisches Spätsommerwetter voraus und ich freue mich wie ein kleines Kind auf mein letzte Highlight meiner Islandreise: Selljavallalaug. Ich setze mich also früh hinters Steuer und mache mich auf den Weg. Frühes Aufstehen und frühes Ankommen hat sich während meiner Reise oftmals als richtige Strategie bewährt.

Die Morgensonne hüllt die Landschaft wieder mal in eine traumhaftes Licht. Die schneebedeckten Berge des Hochlandes strahlen und das Grün der Wiesen geht langsam in ein herbstliches Rot-Orange über. Nach einer kurzen Fahrt passiere ich noch einmal den Skógafoss und den Selljalandsfoss. Mitten auf der Ringstraße weist mich das Navi dann in ein kleines Seitental. Nach wenigen Kilometern erreiche ich über eine schlaglochübersähte Schotterstraße Selljavallalaug.

Ich parke auf dem Parkplatz vor dem neuen Schwimmbad von Selljavallalaug. Außer meinem Wohnmobil steht nur ein klappriger, alter Bulli auf dem Parkplatz, welcher mit allerlei Werkzeug vollgestopft ist. Eine Touristengruppe scheint hiermit nicht unterwegs zu sein.

Mein eigentliches Ziel liegt in den Hügeln des Seitentales. Der mit Abstand älteste Pool Islands ist hier zu finden. Im Jahr 1923 wurde er dort recht versteckt in der Nähe einer heißen Quelle errichtet. Seitdem gilt er als "Geheimtipp", den ich mir natürlich nicht entgehen lassen möchte.

Ich wandere also am Flussbett entlang hinein in die Schlucht und folge dabei immer den Wasserrohren, die das warme Wasser der Quelle auf zum neu errichteten Schwimmbad im Tal führen. Während ich so vor mich hin stapfe, bemerke ich nicht wie plötzlich ein bärtiger, langhaariger Isländischer Riese vor mir steht. Ich erschrecke regelrecht während er mich entspannt mustert und gleich als Touri kategorisiert. In Arbeitsklamotten, mit nassen langen Haaren, ein Handtuch unter den Arm geklemmt, steht er vor mir und begrüßt mich mit einem kurzen ".......HI!". Mir kommt nur ein leicht verdattertes "Hey...." über die Lippen, während er auch schon wieder von dannen zieht.

Scheinbar muss es sich dabei um den Besitzer des alten Transporters auf dem Parkplatz gehandelt haben. Ich schaue ihm noch einen Moment nach und beneide ihn irgendwie ein wenig. Vermutlich war auf dem Weg zur Arbeit und hat sich vorher noch ein Bad in einem der schönsten Pools auf der Welt gegönnt. Als gäbe es nichts Selbstverständlicheres auf der Welt.

Nach ca. 20 Minuten Fußmarsch erreicht man schon den Pool. Erst im letzten Moment sieht man das alte, weiße Badehäuschen am Rande einer Felswand stehen. Von den umliegenden Hängen strömen unzählige Wasserfälle hinab.

Die Erbauer haben den Pool perfekt in den Hang integriert. Von der Felswand aus strömt das heiße Wasser in den Pool. Somit heizt sich das Becken auf äußerst angenehme 38° Celsius auf. Allerdings hat der Zahn der Zeit, gemeinsam mit den isländischen Wetterbedingungen ordentlich an der Anlage genagt. Die Umkleideräume sind doch schon arg verfallen und haben einen äußerst "morbiden" Charme. Hygienefanatiker könnten hier einige Probleme bekommen. ;) Ich springe in meine Badehose und tauche langsam über die alte Leiter in das warme Wasser des Pools. In meinem ganzen Leben habe ich noch nie in einer angenehmeren Wassertemperatur geschwommen.

Die Wärme des Wassers ist unheimlich intensiv. Schwer zu beschreiben. Es ist nicht heiß, es ist angenehm warm und dringt in jede Faser meines Körpers. Ein unglaubliches Gefühl. Ich lasse mich im Wasser treiben und genieße die Szenerie. Von den umliegenden Hügeln strömen unzählige Wasserfälle. Ein genialer Ort und für mich von keinem Hotelpool der Welt zu toppen. Ich bin noch eine ganze Weile allein, bevor sich weitere Touristen einfinden. Ein Geheimtipp ist Selljavallalaug schon lange nicht mehr. Allerdings sollte das niemanden abschrecken. Ein Besuch sowie ein Bad in dem Pool sollte zum Pflichtprogramm eines Islandreisenden gehören! :)

Nach und nach treffen weitere Touristen und Wanderer ein. Trotzdem bleibt, wie so oft, die Atmosphäre sehr entspannt. Island hat einfach auf jeden eine enorme Wirkung. Spätestens am 3. Tag überträgt sich einfach einfach eine gewisse Ruhe und Gelassenheit. Man verliert sich in dem größten Genuss, den man als Naturliebhaber bekommen kann.

Nach einer Weile macht sich bei mir das fehlende Frühstück bemerkbar und ich kehre mit knurrendem Magen zum Wohnmobil zurück. Habe ich schon erwähnt, dass ein Wohnmobil auf Island die ideale Reisekutsche ist? ;) Während des Frühstücks überlege ich, was ich mit dem Rest des Tages anfange. Alle Reiseziele, die ich mir im Vorfeld ausgesucht habe, konnte ich tatsächlich besuchen. Zum Teil sogar mehrfach. Das Wetter ist super und ich entscheide mich für einen Besuch des Nationalparks Þingvellir, welcher vor den Toren Reykjaviks liegt

Was als "lockerer Abschluss" gedacht war, entpuppt sich noch einmal als echtes Highlight. Ein finaler isländischer Reiseschlussakkord, wie man ihn sich besser nicht vorstellen kann. Þingvellir ist einfach unfassbar schön, die totale isländische Idylle. Als Teil des "Golden Circle" gefüllt mit Attraktionen, die allein schon eine Islandreise rechtfertigen würden. Hier kann man zwischen den tektonischen Platten des europäischen und amerikanischen Kontinents spazieren gehen, Geysire und Wasserfälle bewundern, oder einfach nur die wunderschöne Landschaft entlang des Pingvallavatn bewundern.

Þingvellir ist für die stolzen Isländer ein besonderer Ort. Schon zur Zeit der ersten Siedler wurden hier einmal im Jahr Parlamente und Gerichte abgehalten. Der Nationalpark ist wunderbar erschlossen, so dass man ohne große Mühen die Sehenswürdigkeiten erwandern und bestaunen kann. An diesem Nachmittag begegnet mir niemand, dem Þingvellir kein Lächeln aufs Gesicht zaubert.

Ich könnte mir keinen schöneren Abschluss für meine Reise vorstellen. So sehr mir Island am Anfang "zugesetzt" hat, so sehr hat es mich am Ende belohnt. Ich hätte nicht im Ansatz geglaubt, dass mir dieses Land so unglaublich viel zu bieten hat. Während ich vom Wohnmobil aus einen der schönsten Sonnenuntergänge meines Lebens bewundere, lasse ich die letzten Tage vor meinem inneren Auge Revue passieren. Ich erinnere mich an meine Ankunft und an eine Unterhaltung mit meiner Sitznachbarin im Flieger. Während des Fluges kamen wir ins Gespräch und sie erzählte mir, dass sie Geologin sei und zu einem Kongress nach Reykjavik muss. Ich erzählte ihr, dass ich Fotograf sei und den Süden des Landes bereisen wollte. Sie versorgte mich mit reichlich Tipps für meine Reiseroute und lobte meinen Plan, nur einen Teil Islands bereisen zu wollen.

Der Sturm bei unserer Ankunft und die ohnehin bescheidene Wettervorhersage für meine Reise schoben mir allerdings einige Sorgenfalten ins Gesicht, die ihr scheinbar nicht verbogen blieben: "Ach und noch etwas: Machen Sie sich keine Sorgen wegen des Wetters. Glauben Sie mir, es wird FANTASTISCH werden.....!"

Fantastisch.... Was für eine Untertreibung.... :)

Created By
Dominik Neesen
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