Soup & Socks Tour ein foodtruck für flüchtlinge

Unsere Mission

Wir sind neun junge Europäer, die anpacken wollen. Wir möchten das, was gerade an den europäischen Grenzen passiert, mit unseren eigenen Augen sehen. Und vor allem haben wir Lust, etwas zu tun. Vollbepackt mit einer mobilen Küche und vielen Sachspenden haben wir uns auf den Weg an das südliche Ende der EU gemacht, um für Flüchtlinge zu kochen.

Das Kernteam: Tobias, Manuel und Florian
Sonja, Tony und Mimi
Cindy, Anna und Sebastian

Tag 1 - es geht los

Mit zwei Autos voller Equipment, Zutaten und Motivation brechen wir zu fünft in Heidelberg Richtung Süditalien auf. Dort verbringen wir ungefähr 14 Stunden im dichten Nebel und schlafen drei Stunden an einer Raststätte.

Fahren und Schlafen in Italien

Tag 2 - vom Nebel in den Sonnenuntergang

Wir erreichen am Nachmittag Bari und nehmen die Fähre nach Igoumenitsa, Griechenland. Davor werden wir noch mit diesem Bild belohnt:

Tag 3 - Thessaloníki

Auf der Fähre schlafen wir vorerst zum letzten Mal in einem richtigen (allerdings schwankenden) Bett. Mit fünf Stunden Schlaf und einer Stunde Zeitverschiebung im Gepäck machen wir einen Zwischenstopp in Thessaloníki und planen die weitere Route. Statt einer der Inseln haben wir nun ein neues Ziel: Athen.

Thessaloníki und der wahrscheinlich längste Bus der Welt.

Tag 4 - der erste Einsatz

An diesem Tag ist so viel passiert, dass ich erst am nächsten Morgen dazu komme, etwas zu schreiben. Um 3 Uhr morgens kommen wir in Athen an und bauen unsere Zelte auf einem Campingplatz etwas außerhalb der Stadt auf. 5 Stunden später stehen wir auf und richten Küche und Vorratszelt ein. Auf dem Campingplatz haben wir die nötige Infrastruktur, um drei 50-Liter-Töpfe Essen zu kochen. Das fertige Essen laden wir in einen der Vans ein und verteilen direkt vor Ort.

Bei unserem ersten Einsatz unterstützt uns Max aus England, der schon länger in Athen hilft. Um 20 Uhr erreichen wir als erste Station den Victoria Square, wo wir circa 300 Portionen Chili sin Carne ausgeben. Hier leben vor allem Menschen aus Marokko, Algerien und dem Iran, die sich offiziell nur 30 Tage in Griechenland aufhalten und nicht über die Grenze dürfen. Die Stimmung ist gut, es läuft Musik, die Flüchtlinge haben Spaß und unterhalten sich mit uns. Was uns überrascht: kaum sind wir da, helfen sofort Leute mit. Der Iraner Ali stellt sich auf einen Poller und koordiniert die Schlange, andere stellen sich dazu und übersetzen, falls jemand kein Englisch kann. Wir bekommen auch Kleidung und Essen zum weiter verteilen geschenkt.

Ein paar Minuten und Straßen später ändert sich die Lage plötzlich: Bei mittlerweile nur noch 2°C weht jetzt ein eisiger Wind, der es den auf den Boden schlafenden Flüchtlingen fast unmöglich macht, nicht zu erfrieren. Zum Glück haben wir ein paar Decken dabei, die die Nacht zumindest ein wenig erträglicher machen.

Nachdem alle versorgt sind, nimmt uns Max mit in seine Unterkunft, ein besetztes Haus im autonomen Viertel Exarcheia. Hier, wo die Polizei sich höchstens undercover aufhält, haben Aktivisten ein Haus besetzt, in dem 100-160 Menschen leben und versorgt werden. Kinder haben Bilder gemalt, die im Aufenthaltsraum neben Veranstaltungsplakaten und Hausregeln hängen...

Zeichnungen von Kindern in einem besetzten Haus in Athen

Gemeinsam mit Paul aus der Schweiz fahren wir gegen 1 Uhr ein letztes Mal los und verteilen Decken und Tee. Gegen halb 3 geht es zurück zur Basis.

Zurück auf dem Campingplatz ziehen wir in zwei Caravane, die uns die Besitzerin kostenlos überlässt, weil Schnee angekündigt ist. Wir haben zwar keine Heizung, sind so aber wenigstens vor dem Wind geschützt. Obwohl wir uns genau für diese Bedingungen ausgerüstet haben, wachen wir mehrmals auf und versuchen, die Schlafsäcke irgendwie wieder warm zu bekommen. Kaum vorstellbar, wie es ein paar Kilometer weiter den tausenden Menschen geht, die unter dünnen Decken mitten auf den Plätzen Athens liegen.

Tag 5 - Silvester

Nach einem Großeinkauf kochen wir drei Töpfe Thai-Linsen-Curry und fahren abends wieder zum Victoria Square. Die Hausbesetzer haben dort eine kleine Silvesterparty geplant und wir werden schon erwartet. Diesmal sind wir nicht die einzigen Helfer, auch ein griechisches und ein Schweizer Team sind vor Ort.

"You shouldn't be here."

Die Zustimmung sowohl der Flüchtlinge als auch der Passanten ist noch größer als am Tag davor, die Begeisterung und Unterstützung der Griechen ist riesig: immer wieder bekommen wir Kleidung und Essen für die Flüchtlinge geschenkt. Wir erfahren, dass es auf manchen Märkten 50% Rabatt gibt, wenn man für Flüchtlinge kocht. Ein Mann spricht uns an: "You shouldn't be here". Aber nicht, weil ihm nicht gefällt, was wir tun. Sondern weil er sich schämt, dass nicht er und seine Landsleute an unserer Stelle stehen.

Zur Feier des Tages haben wir eine kleine Überraschung vorbereitet: Gegen 23 Uhr gibt es heiße Schokolade mit Sahne und Bananen. Kaum stehen die 40 Liter Milch auf dem Gaskocher, stellt sich ein griechischer Arzt dazu und bietet an, das Rühren zu übernehmen. Er bleibt noch drei Stunden bei uns - so wie auch eine griechische Deutschlehrerin, die beim Schneiden der Bananen hilft und für uns übersetzt. Während wir die heiße Schokolade ausschenken, werden wir noch einmal überrascht: Ein paar Flüchtlinge haben zusammengelegt und überreichen uns als Dank und Neujahrsgeschenk eine Flasche Cranberry-Saft für unser Frühstück.

Kurz vor Mitternacht hängen Helfer ein großes Banner mit dem Schriftzug "OPEN THE BORDERS" auf und spielen über Lautsprecher Musik. Dann ist es soweit: Tanzend und singend begrüßen Flüchtlinge und Freiwillige gemeinsam das neue Jahr. Umarmen sich, umarmen uns.

Später bauen wir ab und werden wieder in das besetzte Haus eingeladen, wo wir den Abend langsam ausklingen lassen. Wir haben an diesem Abend viele glückliche Gesichter gesehen. Menschen, die sich gemeinsam freuen und die nun wenigstens für ein paar Stunden ihre Sorgen ein kleines Bisschen vergessen können. Trotzdem ist es keine Heile-Welt-Stimmung: immer wieder spürt man die Spannungen unter den Flüchtlingen zwischen verschiedenen Nationalitäten und Gruppen.

Tag 6 - wir sind vollständig

Unser Koch ist da! Weil Tobi noch bis in die Silvesternacht hinein arbeiten musste, kommt er etwas später zu uns und hilft trotz einer Stunde Schlaf tatkräftig mit.

Abends geht es wieder mit drei Töpfen und viel Kleidung in die Innenstadt. Mittlerweile kennen wir schon viele Menschen und gewinnen beidseitig Vertrauen. Immer mehr Leute unterhalten sich mit uns und erzählen ihre Geschichte. Was uns auffällt ist, dass hier niemand bettelt - es ist trotz der Situation vielmehr ein Miteinander auf Augenhöhe.

Schon um 22 Uhr ist die Suppe aufgegessen und wir finden zum ersten Mal die Zeit für ein ausgiebiges Teamgespräch und kommen noch vor 1 Uhr ins Bett.

Tag 7 - Routine

Am vierten Kochtag ist aus vielen Dingen Routine geworden. Die Zubereitung geht immer schneller, der Transporter wird vor der Abfahrt immer gleich geladen und die Essensausgabe ist perfektioniert. Die Stimmung ist an diesem Tag zunächst angespannt, weil wir Gerüchte hören, dass der Platz noch in dieser Nacht geräumt werden soll. Zum Glück bleibt aber alles friedlich.

Kurz vor der Abfahrt geht die Sonne langsam unter und zum ersten Mal stellen wir uns die Frage, wie es eigentlich um unseren Campingplatz herum aussieht, wenn es noch hell ist. Wir haben einen kleinen Quadrokopter dabei, mit dem wir ein Bild machen, das wir Euch nicht vorenthalten wollen:

Der Sonnenuntergang über Kifisiá, Athen.

Durch die Routine haben wir immer mehr Zeit, uns mit den anderen Menschen und auch mit uns selbst zu beschäftigen. Wir haben Erkenntnisse, stellen Fragen. Sie führt auch dazu, dass wir zeitweise eine Art Ansprechpartner für Freiwillige und Sachspenden werden. Eine niederländische Gruppe schenkt neben unserer Suppenausgabe Tee aus, von Max und seinen Leuten bekommen wir drei Bleche super leckeren Bananenkuchen geschenkt. Und dann halten zwei Autos direkt vor unserem Van, beide bis oben hin voller Tüten. Der eine Teil ist die gespendete Kleidung einer Großfamilie, die andere Ladung besteht aus so vielen Broten, dass wir keine Chance haben, sie zu zählen.

Flüchtlinge schlafen auf dem Boden, haben ihren Platz aber ziemlich clever gewählt: Durch das Gitter auf dem Boden strömt warme Luft aus dem U-Bahnhof.

Später stelle ich aus Spaß Wasserflaschen in die Form des Peace-Zeichens. Besonders schön ist es nicht geworden. Der griechische Arzt sieht es sich an, lächelt und sagt: "It's okay. Like the EU. Not perfect, but okay."

Tag 8 - Doppelschicht

Wir sind mittlerweile so eingespielt, dass wir eine beschließen, eine zusätzliche Mahlzeit auszugeben. Also fahren mittags wir zu fünft raus und verteilen Hummus mit Pita und Tomatensalat, während Mimi und Tobias schon das Abendessen kochen.

Wir sind zum ersten Mal bei Tageslicht in Athen bekommen einen ganz anderen Eindruck von "unseren" Plätzen: Am Victoria Square sind tagsüber viele Familien, die später mit Bussen weiter in Richtung Grenze fahren - abends sind es zu 99% Männer. Das Tageslicht ermöglicht uns auch zum ersten Mal ordentliche Fotos von den sonst ziemlich dunklen Plätzen. Aus Respekt vor dem Fluchthintergrund der Menschen zeigen wir nur Gesichter von Denjenigen, die ausdrücklich fotografiert werden wollen.

Unser erster Mittagseinsatz

Tag 9 - Rush Hour

Tag Nummer 9 beginnt mit einem Großeinkauf für die kommenden Tage. Es ist deutlich wärmer geworden und wir schnippeln und kochen ab jetzt im Freien.

Mittags gibt es wieder Hummus mit Brot und Salat. Als wir auf den Victoria Square zufahren, erschrecken wir kurz: Es sind mindestens dreimal so viele Leute wie sonst. Noch während wir aufbauen, stellen sich über 50 Leute an. Im Gegensatz zu abends sind viel mehr Familien da. Nach überraschend kurzer Zeit geht uns das Wasser aus, von dem wir sonst immer zu viel dabei haben. Zum Glück helfen uns unsere Schweizer Camping-Nachbarn von "Soup-Port" aus, die zufällig vorbeikommen. Später ziehen wir weiter zum Omonia Square, auf beiden Plätzen geben wir viele hundert Portionen aus.

An einem Tag wie diesem fällt stark auf, welche Unterschiede es zwischen den verschiedenen Kulturen und Mentalitäten auch innerhalb der Flüchtlinge gibt. Der absolute Großteil der Menschen ist ruhig, gut gelaunt und bescheiden. Die meisten haben sich an unser sehr deutsches Modell des Anstehens gewohnt und finden es eher witzig, wie wir uns darum kümmern. Fast alle bleiben fair, lassen Frauen und Kinder vor und drängeln nicht. Wie überall gibt es aber auch hier einzelne dreiste, unfaire und offensive Menschen. Gerade in Stresssituationen hängt es hier ganz stark vom Umgang mit diesen Leuten ab, ob der Rest der Schlange ruhig bleibt oder Unruhe entsteht. Erst nach einer Zeit verstehen wir, dass die meisten nicht verstehen, dass sie sich mehrfach anstellen können. Nachdem wir das kommunizieren, entspannt sich die Lage deutlich.

An diesem Tag haben wir zum ersten Mal Kontakt zu den Besitzern dreier umliegender Restaurants um den Victoria Square. Alle drei wollen zunächst, dass wir hier kein Essen mehr ausgeben. Im Gespräch erfahren wir, dass die aktuelle Situation auch für sie ziemlich ausweglos ist und sie kurz vor der Schließung ihrer Läden stehen. Sie fühlen sich von der Stadt im Stich gelassen und sind ziemlich resigniert. Eine Lösung oder gute gemeinsame Vorschläge gibt es bisher nicht. Sie lassen uns nach ein paar Diskussionen aber weiterhin in Ruhe.

Wegen der vielen Neuankömmlinge ist auch die Polizei verstärkt vor Ort. Wir unterhalten uns mit zwei Polizisten, die überraschend entspannt sind und uns gute Tipps geben. Auch sie sind froh, dass die Versorgung mittlerweile so gut geworden ist und sind begeistert, wie reibungslos die Ausgabe abläuft. Auf die Frage, wie oft und welche Probleme es gibt, sagt einer der Polizisten nur: "If just hope you have enough." Haben wir auch. Zusammen mit dem Abendessen verteilen wir an diesem Tag ungefähr 1.000 Mahlzeiten.

to be continued...

Created By
Anton Knoblach
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